svend-1917-11-24-nr-22

(Fra Helene Schwallbach til Hedvig Ørum)

 

Moskau, d. 24.XI.1917

 

                      Sehr geehrte Frau Ørum!

 

Empfangen Sie meine herzlichsten Glückwünsche zum Weihnachtsfeste, gleichzeitig danke ich Ihnen sehr für Ihren liebenswürdigen Brief u. bitte zu entschuldigen, dass ich Ihr nicht früher beantwortet habe, aber da kam die Hochzeit da zwischen, so plötzlich und unerwartet, dass ich alle Hände voll zu tun hatte. Wir beeilten uns nicht besonders mit den Vorbereitigungen, im Glauben, dass die Hochzeit erst im Herbst stattfindet, da bekam Svend seine Papiere u. fand, dass es keine Zweck hätte so lange zu warten. Anfangs fürchtete Ich, dass es mir nicht möglich sein würde so schnell selbst dass allernotwendigste zu beschaffen, denn es ist ja jetzt nicht wie früher, vieles ist gar nicht zu haben und vieles mit den grössten Schwierigkeiten. Aber es ging schliesslich alles viel besser als ich gedacht hatte. Schnell verflog die Zeit mit den Vorbereitungen u. Schliesslich waren wir alle sehr froh, als alles glücklich überstanden war. Natürlich musste noch einiges nach der Hochzeit beendet werden, dann kam der Umzug in der Stadt, wobei fasst die ganze Wohnung umgekramt werden musste. Jetzt endlich könnten wir in Ruhe leben, wenn man nicht alle Tage neue Überraschungen erleben würde. Ich kann mir denken, wie sehr Sie sich Ihres Sohnes wegen beunruhigen, umsomehr, als die Nachrichten, die man aus den Zeitungen hat, immer bedeutend gefährlicher klingen, als es eigentlich in Wirklichkeit ist. Die Bilder, die Sie von Ihren Sohne haben, tragen wohl auch nicht viel zu ihrer Beruhigung bei, er sieht auf den Meisten so tragisch und so elend aus. Ich kann Ihnen versichern, dass er in Wirklichkeit viel viel besser aussieht, wenn er auch nicht so rund ist wie auf seinem Bilde aus Kopenhagen, aber so habe ich ihn auch nie gesehen. Ich denke, dass hängt damit zusammen, dass er den ganzen Tag ohne richtige Mahlzeit verbringt, erst um 6 Uhr, wenn er aus dem Geschäft kommt, isst er zu Mittag. Nach dem Kriege wird er aber hoffentlich wieder umfangreicher, daführ werde ich sehr gerne sorgen, wenn es mir nur möglich ist. Den Ausdruck von Weltschmerz habe ich ihm aber nur auf den schönen Liebhaber­fotographien bemerkt, in Wirklichkeit habe ich ihn übrerhaupt noch nicht böse oder unfreundlich gesehen, er ist genau so nett wie er früher war, und wenn er seine Politiken liest mit der Pfeife oder Zigarre im Munde, ist er die verkörperte Gemütlichkeit selbst.

 

(her slutter brevet)


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