Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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FESTSCHRIFT ZUR GENERAL-KIRCHENVISITATION 1928:

Teil 1. Begrüßungsschreiben, Das Evangelium im Strehlener Lande, Das Gemeinschaftsfest auf dem Rummelsberge.
Teil 2. Arnsdorf, Crummendorf, Eisenberg, Friedersdorf, Großburg, Hussinetz,
Teil 3. Lorenzberg/ Jäschkittel, Markt-Bohrau, Nieder-Rosen, Olbendorf, Prieborn, Riegersdorf,
Teil 4. Ruppersdorf, Schönbrunn, Schreibendorf, Steinkirche, Strehlen, Türpitz.

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Die evangelischen Kirchgemeinden des Strehlener Kreises. 

Kirchspiel/Parish Kr. Strehlen: Klein Bresa, Markt Bohrau, Ottwitz, Petrigau, Schönfeld
Markt-Bohrau früher Kr. Nimptsch, ab 1932 Kr. Strehlen: Roßwitz
Kr. Breslau: Groß Bresa (Erlebusch), Liebethal,  Bogschütz (Lohbusch), Merzdorf, Prisselwitz (Prisselbach), Wangern

Markt-Bohrau.

Von P. Nonnast, Markt Bohrau.

Sehr früh war in der alten Ortschaft Markt Bohrau („Boriow", auch „Borow" oder später „Boraw" genannt, wahrscheinlich von dem polnischen Worte bor = Fichtenwald herstammend) schon ein Kirche vorhanden. In einer Urkunde vom Jahre 1202 wird bereits ein „dominus bartholomeus diaconus de boriow" erwähnt. Der große Umfang der damaligen Pfarrei deutet auf Gründung bereits unter polnischem Recht. Die Reformation, und zwar in der Form von Luthers Lehre, fand unstreitig schon in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts hierselbst Eingang, wenn auch das Jahr nicht genau angegeben werden kann. Von 1576 ab jedenfalls sind die evgl. Pfarrer, die an der hiesigen sowie bei der in Schönfeld vorhandenen Kirche oder Kapelle angestellt gewesen waren, lückenlos bis 1653 nachzuweisen. Es sind dies: Christoph Cypriander (1576—1588), Johann Scholz (bis 1613), Elias Butschky (bis 1633), Melchior Malikke oder Minor (bis 1643), Heinrich Metzig (bis 1648) und Wenzeslaus Smolins (bis 1653).

In diesem Jahre das so unsägliches Unheil über die Evangelischen Schlesiens brachte, wurde das Machtgebot des damaligen Kaisers Ferdinand III., eines fanatischen Anhängers und Förderers der Gegenreformation, auch unseren Vorfahren hierorts — sowie über 500 anderen evangelischen Gemeinden Schlesiens — ihre Kirche und Schule weggenommen und wieder römisch-katholisch gemacht und Seelsorger und Schullehrer vertrieben. 131 Jahre lang war nun die evangelische Gemeinde ohne Gotteshaus und Gottesdienst. Sie hielt sich während dieser Zeit nach Großburg, ein Teil später auch nach Grünhartau und Wiltschau. Als 1740 nach der Besitzergreifung Schlesiens Friedrich der Große den Evangelischen die freie Ausübung ihres Glaube wieder gestattet, wird es sofort der sehnliche Wunsch der Evangelischen, eine neue Kirche in Markt Bohrau zu bauen. Allein infolge ungünstiger Verhältnisse kommt es erst 1784 zur Gründung eines Parochialverbandes auf gerichtlicher Übereinkunft unter den Evangelischen der Orte: Markt Bohrau, Petrigau, Schönfeld, Ottwitz, Klein Bresa, Groß Bresa, Bogschütz, Liebethal und Merzdorf, und erst 1789 zur Fertigstellung und Einweihung der neuen Kirche. Solange wurde der Gottesdienst in einem vom Grundherrn überwiesenen „Schoppengebäude" des Dominiums abgehalten. 1801 wird aus der Hospitalkirche in Breslau die alte Orgel für 250 Thlr. Gekauft, 1822 die anfängliche Schindelbedachung der Kirche ein Flachwerkdach umgewandelt, 1829 mit „in freiwilliger Subskription" aufgebrachten Geldern der Turm angebaut. Die erste Turmuhr schenkt der verehrte Kirchenpatron und Grundherr des Ortes, Graf Erdmann von Sandretzki, die ersten beiden Glocken (von dem Glockengießermeister Georg Benjamin Krieger in Breslau gegossen) kommen durch freiwillige Spenden — die größte davon 400 Thlr. — und Umlage zusammen. Das Jahr 1835 wird in sofern bedeutungsvoll, als durch das Zuschlagsdekret der Kgl. Regierung von 26. 9. die Ortschaften Groß- und Klein Tinz nebst Annenhof, Prisselwitz, Wangern nebst Marienthal und das Dominium Schönbankwitz gastweise zur Kirche in Markt Bohrau zugeschlagen werden. 1880 werden die genannten Orte mit Ausnahme von Schönbankwitz endgültig nach Markt Bohrau eingepfarrt, dazu tritt neu noch die Ortschaft Roßwitz. Damit ist der endgültige Umfang der Parochie mit 14 Kirchgemeinden festgelegt, der bis heute unverändert geblieben ist.

Die Jahre 1883-84 bringen die Erbauung des jetzigen Pfarrhauses, welches anstatt des alten feuchten, z. T. sehr schadhaften, 1788 errichteten Pfarrhauses, das auf dem Platz südwestlich der evgl. Kirche (dem heutigen „Kirchplatz") stand, in den Pfarrgarten hinein gesetzt wurde. Zur selben Zeit etwa erfolgt auch die schon seit langem sich als notwendig erwiesene Vergrößerung des evangelischen Friedhofes um ca. 2 Morgen. Der alte Friedhof ist ein Geschenk des schon erwähnten Grafen Erdmann von Sandreczki aus dem Jahre 1819 und wurde im Jahre 1882 mit 2/3 des Geländes (ca. 2 ein Sechstel Morgen) für die evangelische Kirchengemeinde, mit 1/3 für die römisch-katholische grundbuchlich eingetragen.

Das Bedürfnis nach Gemeindeschwestern zur Krankenpflege usw. war allmählich in der großen Parochie immer stärker geworden. So kommt es im Jahre 1909 zur Einrichtung einer Diakonissenstation in Markt Bohrau durch den Vaterländischen Frauenverein und zwar mit einer Schwester (Frankensteiner Mutterhaus), welche in gleicher Weise beiden Konfessionen zur Verfügung steht. 1926 tritt die zweite Schwester aus demselben Mutterhause dazu.

Der Weltkrieg hat der Gemeinde schwere Blutopfer auferlegt; von einer Aufstellung von Ehrentafeln für ihre gefallenen Helden in der Kirche wurde abgesehen, weil am Friedhof ein gemeinsames Kriegerehrenmal errichtet ward. An materiellen Opfern brachte die Gemeinde u. a. ihre Orgelprospektpfeifen und die größte Glocke (1917), welche aber beide (1922 bezw. 1921) bereits wieder ergänzt sind.

Aufs engste verbunden mit der Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde ist die der evangelischen Schule. War die alte evangelische Schule von Markt Bohrau in dem Unglücksjahr 1653 ebenfalls aufgehoben und vernichtet worden so wurde die neue im Jahre 1742 durch Unterstützung des wohlwollenden Grafen von Posadowski errichtet (Schulverband: Bohrau, Schönfeld, Petrigau), zu welcher sich auch Kinder aus dem Groß Bresaer Schulbereich hielten, weil die dortige evangelische Schule erst 1772 eingerichtet wurde. Den Schulraum bildete ein vom Gräflichen Dominium überwiesenes Gebäude, das 1821 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden mußte und einem massiven Schul- und Küsterhaus Platz machte. Dieses reichte sehr bald nicht mehr aus, und so wurde im Jahre 1852 der Grund zu dem jetzigen Schul- und Küsterhause (je zur Hälfte der Schul- wie der Kirchengemeinde gehörig) gelegt, das nunmehr auch wieder zu eng geworden ist und die Frage nach einem Neubau hat laut werden lassen. Unablässigen Bemühungen war es in den neunziger Jahren auch gelungen, je eine neue evangelische Schule in Wangern und Prisselwitz zu errichten und damit die Erziehung der evangelischen Kinder in diesen Diasporadörfern in evangelischem Sinn und Geist sicherzustellen, während der im Jahre 1845 mit Hilfe des Gustav-Adolf-Vereins eingerichtete evangelische Religionsunterricht in der römisch-katholischen Schule zu Groß Tinz bis heute noch erteilt wird (z. Z. 26 Kinder).

Zum Schluß noch ein Blick auf die gegenwärtigen Zustände in der Gemeinde. Die Kirchengemeinde zählt z. Z. (letzte Zahlung März 1927) etwa 2 450 Seelen. Außer den sonntäglichen Gottesdiensten in der Kirche zu Markt Bohrau wird in drei Außenorten: Wangern (Schule), Prisselwitz (Schule) und Groß Tinz (Speisesaal des Schlosses) durchschnittlich jeden zweiten Monat je ein Außengottesdienst abgehalten. Angesichts der zum Teil recht weiten Entfernungen der einzelnen Dörfer vom Kirchorte (4 Dörfer je etwa 8 Kilometer, 4 etwa 5 Kilometer), der Besonderheit der ländlichen Verhältnisse (Rübenbau, lange Erntezeit) sowie starker Arbeiterschaft (11 Rittergüter) sind Kirchenbesuch und Kommunikantenziffern als recht gut zu bezeichnen (1927: durchschnittlich 244 Besucher in jedem Gottesdienst, d. h. 10 Prozent der Seelenzahl, und 1359 Abendmahlsgäste, d. h. 55.55 Prozent). Rechnet man hinzu den außerordentlich starken Besuch der Außengottesdienste, Bibelstunden, Gemeindeabende und sonstigen Veranstaltungen, das kräftige Vereinswesen (Frauenverein, Jungfrauenverein), die aufs ganze gesehen erfreuliche Opferwilligkeit der Glieder, was Kollekten und freiwillige Sammlungen anlangt (1927 - 700 R.-M. für einen Lichtbildapparat nebst Zubehör, 250 R.-M. für eine weiße Altarbekleidung), den Umstand, daß kirchliche Blätter („Unsere Kirche" 305 Exemplare) beinahe in jeder zweiten Familie gehalten werden, daß die alte kirchliche Sitte noch hoch gehalten (u. a. 1927: 55 Krankenkommunionen), daß in konfessioneller Hinsicht (z. B. bei gemischten Brautpaaren, Taufen aus Mischehen) die Standhaftigkeit des evgl. Teiles nicht geringer ist als die des anderen u. a. m., dürfte es wohl nicht ganz unangebracht sein, von kirchlichem Leben und kirchlicher Treue der Gemeinde zu sprechen. Möge sie mit Gottes Hilfe allzeit in Wort und Tat fest zum Glauben ihrer Väter stehen und Vätererbe bewahren.

Kirchliche Gebäude: Kirche, Pfarrhaus, Küsterschulhaus (zur Hälfte), Leichenhalle auf dem Friedhof. — Vereine: Frauenverein, Jungfrauenverein, Kirchenchor, Evangelischer Bund, Gustav-Adolf-Verein, Jünglingsbund (in Vorbereitung).

Evang. Kirche in Markt Bohrau

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