Unsere Deutsche Wurzeln - Our German Roots
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FESTSCHRIFT ZUR GENERAL-KIRCHENVISITATION 1928:

Teil 1. Begrüßungsschreiben, Das Evangelium im Strehlener Lande, Das Gemeinschaftsfest auf dem Rummelsberge.
Teil 2. Arnsdorf, Crummendorf, Eisenberg, Friedersdorf, Großburg, Hussinetz,
Teil 3. Lorenzberg/ Jäschkittel, Markt-Bohrau, Nieder-Rosen, Olbendorf, Prieborn, Riegersdorf,
Teil 4. Ruppersdorf, Schönbrunn, Schreibendorf, Steinkirche, Strehlen, Türpitz.

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Die evangelischen Kirchgemeinden des Strehlener Kreises.

Kirchspiel/Parish Kr. Strehlen: Polnisch-Jägel (Alt Jägel), Polnisch-Tschammendorf (Altschammendorf), Deutsch Jägel, Ober-, Mittel-, Nieder- u.  Unter-Schreibendorf (Schreibendorf)
Schreibendorf früher Kr. Münsterberg, ab 1932 Kr. Strehlen: Deutsch Neudorf, Haltauf, Kunern, Merzdorf, Münchhof, Tschammenhof
früher Kr. Münsterberg, ab 1932 Kr. Frankenstein: Weigelsdorf
Kr. Grottkau: Boitmannsdorf, Gläsendorf, Rogau,
Seiffersdorf bei Ottmachau, Schwedlich

Schreibendorf.

Von P. Lic. Dr. Bunzel, Breslau (Magdalenen).

Von der Kirchfahrt Schreibendorf könnte man infolge seiner Angrenzung an die einstigen Fürstentümer Münsterberg und Neisse, infolge seines Diasporacharakters (31 Gemeinde- und Gutsbezirke auf über 100 Quadratkilometern in drei Kreisen; 7 kath. Pfarreien, 1333 Evangelische und 3374 Katholische innerhalb des Kirchspiels), sowie infolge der vielen eingepfarrten Dominien (13 Güter mit 7 Besitzern, von denen die drei größten katholisch sind, viel erzählen. Es sei aus Geschichte und Gegenwart nur das Bemerkenswerteste herausgegriffen.

1. Aus der Geschichte des Kirchspiels:

Von der Zeit der ersten Erwähnung des Ortes (1305) bis zur Einführung der Reformation (1530) wissen wir nichts. 1530—1575 bestand in Schreibendorf ein selbständiges Pfarramt, zu dem Weigelsdorf im Münsterberger Fürstentum gehörte. 1575—1653 war Schreibendorf Filiale von Weigelsdorf, wie eine Notiz im ältesten Kirchenbuch von 1662 angibt. Diese Kirche wurde 1653 wie 650 andere Kirchen im Münsterbergischen, Breslauischen und anderen schlesischen Gegenden geschlossen. Der Pastor zog nach Schreibendorf. Eine alte Sage unserer Gegend, die von einem zwischen der Schreibendorfer und Weigelsdorfer Kirche hin und her ziehenden Marienbilde erzählt, deutet noch heute auf jene Zeit hin.

In der schweren Zeit der Gegenreformation wurde die evangelische Kirche von Schreibendorf eine Zufluchtskirche für viele Tausende aus Ober- und Niederschlesien. Aus den Tagen, in denen kaiserliche Reiter an Sonn- und Festtagen mit Karabinern die evangelischen Wallfahrer anhielten, finden sich in unseren Kirchenbüchern naturgemäß weniger Taufen und Beerdigungen aus entfernten Gegenden. Doch sind viel Brautpaare aus dem Falkenberger, Neustädter, Leobschützer und Kreuzburger Kreise hier getraut worden; allein aus dem Dorfe Hillersdorf, Kr. Falkenberg, (heute kaum 200 Seelen) zwischen 1673 und 1724 14 Paare. Bis 7000 Abendmahlsgäste verzeichnen die Register jedes Jahr, darunter nur 350 Einheimische. Nach der Altranstädter Konvention (1708) erhielt unser Gotteshaus als erlaubte Zufluchtskirche besondere Bedeutung für die benachbarten katholischen Kreise. Aus den Orten, die heute zum Kirchspiel Münsterberg gehören, auch aus der Stadt selbst, wurden hier die Kinder getauft.

Infolge der Befreiung Schlesiens durch Friedrich den Großen und der daraufhin erfolgten Kirchengründungen in Grottkau, Neisse, Ottmachau und Münsterberg verlor unsere Kirche an Bedeutung für die weitere Umgebung. Der Schreibendorfer Pastor predigte gelegentlich im Fürstensaal des Münsterberger Rathauses.

Evangelische Kirche in Schreibendorf Im vergangenen Jahrhundert wurde der Umfang des Kirchspiels genau festgelegt. Im Kirchenbuch von 1662 heißt es „Incorporirte undt Eyngepfarrete bey dieser Kirchen sind von uhralten Zeiten her: Im Francksteinischen Weichbilde Ober- und Nieder-Kunern; Merrzdorff und Haldauff; im Strehlischen Weichbilde Deutsch-Jägel, Mickeriz, Tschammendorff und Pohln. Jägel". Trotz des in den Pfarrakten oft zitierten § 293 Teil 2 Titel 11 des Allg. Landrechtes bestand doch kein Pfarrzwang. Aus den verschiedensten Orten hielten sich Gläubige zu unserem altehrwürdigen Gotteshaus. Erst durch das Gesetz vom 1. 1. 1880, nach dem es keine „vagierende und Gastgemeinden" mehr geben sollte, erhielt unsere Kirchfahrt ihren heutigen Umfang.

Das alte Kirchlein, dessen malerischer Anblick in den Visitationsberichten (so 1866) besonders hervorgehoben wird, stand auf dem Platze, auf dem sich das heutige Gotteshaus erhebt. Es war viel kleiner, mit Schindeln, die auf der Pfarrhausseite fast bis zur Erde reichten, gedeckt. Die alte Wetterfahne auf dem hölzernen Turme knarrte und quietsche nachts im Winde und bot mit dem Heulen der Eulen ein oft erschreckliches Konzert. In den alten Nachweisungen heißt es, die Kirche stammt in den ältesten Teilen mindestens aus dem 13. Jahrhundert, ist 1530 evangelisch geworden. Die winklige Anlage schließt auf häufige Anbauten (1683, 1781). Seit 1918 verhandelt man ernstlich wegen eines Neubaus. Nach endlosen Verhandlungen verfügt die Behörde 1878 den Neubau, der 1883—84 unter P. Rhodius ausgeführt wird. Ein Bild der alten Kirche ist in der Sakristei und den Schulen aufgehängt worden. Der Bau kostete 55000 Mark, von denen l 2 000 Taler in vierzigjähriger freiwilliger Sammlung seit 1835 aufgebracht worden waren. Der Rest wurde als Schuld aufgenommen und war 1917 zurückgezahlt.

Das Schulgebäude mit einer kleinen Schulstube, in der ein Lehrer zu gleicher Zeit 300 Kinder von 6—14 Jahren unterrichten sollte (es erschien kaum der vierte Teil zum Unterricht), stand bis 1811 auf dem alten Kirchhof. 1827 wurde die jetzige große Schule gebaut, 1838 die Deutsch-Jägeler. 1865 die hiesige katholische und 1891 die Polnisch-Jägeler katholische Schule, und dadurch der unermeßlich große Schulbezirk immer mehr verkleinert.

Der Friedhof sollte nach Verfügung der Regierung 1819 „schlechterdings noch in den Sommermonaten verlegt werden" Ab erst 60 Jahre darauf, 1879, wurde nach sehr schwierigen Verhandlungen von P. Fischer, dem nachmaligen Berliner Ehrendoktor der Theologie, der 1915 in Berlin (Marcuskirche) starb, der neue Friedhof eröffnet, 1890 und 1902 erweitert. Durch seine Lage am Abhang der Pfarrwidmut, durch die vielen schönen Bäume wie das mächtige, von Baron v. Dallwig gestiftete Marmorkreuz (sic) der Friedhof besonders stimmungsvoll.

Das Pfarrhaus, über dessen schlechten baulichen Zustand auch seit Jahrzehnten geklagt und verhandelt wird, und dessen gesundheitsgefährdende Feuchtigkeit die Ursache für den Weggang der letzten Pfarrer und die nun schon Monate währende Verwaisung der Pfarrstelle ist, wird nun hoffentlich gemäß den Beschlüssen der Gemeinde auch bald einem Neubau weichen.

Das prächtige „Pfarrgesümpe", ein zwei Morgen großer Park mit Wald, Teich und Wiese, ist von Pastor Karow (1865—1871 hier Pastor) angelegt worden.

II. Aus dem gegenwärtigen Leben der Kirchgemeinde:

Über das kirchliche Leben der Gemeinde im letzten Jahrzehnt gibt das Gemeindeblatt „Heimatklänge der Kirchfahrt Schreibendorf" Aufschluß, das während der Amtszeit von P. Bunzel 14-tägig erschien und in 150 Familien gehalten wurde. Die Feiern des Glockenabschiedes und der Glockenweihe. Begrüßung der heimgekehrten Krieger und Einweihung der Gedächtnistafeln sind durch besondere Festbüchlein mit ortsgeschichtlich wichtigen Zusammenstellungen in der Erinnerung der Gemeinde lebendig.

Prospektpfeifen und Bronzeglocken, die auch hier 1917 abgegeben werden mußten, wurden sofort nach Friedensschluß wiederbeschafft. Sommer 1919 hatte Schreibendorf als erste Kirche ihr volles Bronzegeläut wieder. Die Gesamtkosten sind durch freiwillige Beiträge aus der Gemeinde aufgebracht worden.

Die Kriegsbetstunden, die sich, gerade bei den entfernt Wohnenden, großer Beliebtheit erfreuten, wurden noch einige Jahre nach Friedensschluß in den Notbetstunden und Wochengottesdiensten fortgesetzt.

Am 2. Pfingstfeiertag 1920 schlug der Blitz in den Turm unserer Kirche, Gott sei gedankt, ohne zu zünden (wie schon vor 30 Jahren einmal). Bei der Reparatur mußte der Kaiserstuhl (der oberste senkrecht stehende Balken des Turmes, in den die eiserne Spitze eingelassen ist) ergänzt werden. In den Knopf wurden verschiedene Urkunden getan. Bei dieser Gelegenheit erhielt unsere Kirche einen Blitzableiter.

Ein schlichtes, würdiges Kriegerdenkmal wurde auf dem alten Friedhofe im Juli 1921 unter Beteiligung der Kriegervereine des Kreises, im Beisein von Exzellenz von Paczensky, eingeweiht. Die Namen der 60 Krieger unserer Gemeinde und Söhne hiesiger Eltern wurden auf zwei würdigen eichenen Tafeln im Gotteshaus verzeichnet und in besonderer Feier geweiht. Auch für die Veteranen dieses Krieges, die jetzt sterben, haben wir eine Tafel im Gotteshaus angebracht, wie sie für die Veteranen der früheren Kriege vorhanden ist. Schon 16 sind seit Schluß des Krieges von uns gegangen. Die Namen der in den einzelnen Jahren verstorbenen Krieger werden in dem besonderen Gedächtnisgottesdienst am Sonntag Reminiscere, den unsere Kirchgemeinde seit 1917 feiert, verlesen.

Während der Pastor bei seinem Amtsantritt einen Jungfrauen-Verein vorfand, wurde unter dem Eindruck der besonderen Not nach Schluß des Krieges ein Ev. Frauenverein gegründet, der im Winter alle 14 Tage im Pfarrhause zusammenkommt. Des Pastors besondere Liebe war der Ev. Arbeiterverein, den er Frühjahr 1924 ins Leben rief. Die Grundgedanken des Vereins: keine Parteipolitik, aber Vaterlandsliebe, keine Gewerkschaftsfragen, aber soziale Unterstützung, vor allem aber bewußt kirchliche und religiöse Beeinflussung gaben die werbende Kraft. Die Arbeiter des Kirchspiels, die Dominialarbeiter wohl ausnahmslos, gehören zu diesem Verein, der früher über 300, jetzt, nach dem von der kathol. Kirche geforderten Ausscheiden der kathol. Mitglieder, immer noch über 200 Mitglieder zählt. Alle 14 Tage versammelte der Pastor die Mitglieder hin und her in den Wohnungen der Arbeiter; Vortrag, Lichtbildervorträge, Andacht, Gebet, gemeinsam gebetetes Vaterunser und Gesänge von Volks- und Kirchenliedern füllten die Abende aus. Über 2 500 RMk., die nur aus Arbeitergroschen zusammengekommen waren, sind an Begräbnisbeihilfen ausgezahlt worden.

Der Gottesdienst- und Abendmahlsbesuch war ein erfreulich hoher und nahm von Jahr zu Jahr zu. Bei 1333 Seelen in 356 Familien (der Pastor hat bei seinem Weggang eine genaue Skizze von jeder Gemeinde mit allen Familien hinterlassen) nahmen an dem Sonntagsgottesdienst nach regelmäßiger Zählung 170, oder ein Viertel aller Erwachsenen teil (1923: 171, 1925: 169, 1926: 174). Die Zahl der Abendmahlsgäste stieg von 950 in Friedensjahren besonders durch den Arbeiterverein bis auf 1272, oder 95 Prozent der Gemeinde (1919: 866, 1923: 1083, 1924; 1182, 1925; 1162, 1926, 1272).

Die Außenorte (Deutsch-Jägel, Seiffersdorf und in der letzten Zeit Gläsendorf) wurden mit Bibelstunden versorgt. In dem letzten Jahrzehnt traten 75 Katholiken zur ev. Kirche über. Die Zahl der Evangelischen nahm in dieser Zeit um 175 zu.


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